Loslassen

Thema beim Mädelsabend: Loslassen

Vor einigen Wochen habe ich überraschend eine E-Mail von Henrike Krauß bekommen. Sie hat mir geschrieben, dass sie seit letztem Jahr regelmäßig einen JulaBlum Mädelsabend in ihrem Atelier in Heusweiler (im Saarland) veranstaltet und mich gefragt, ob ich als Talkgast dabei sein möchte.

Sie fasst es auf ihrer Website in wenigen Worten zusammen: 1 Gastgeberin, 25 Zuhörerinnen, 1 Sängerin, 3 Frauen als Gäste, 3 Blickwinkel auf 1 Thema - fertig ist ein inspirierender Abend in wunderbar gemütlichem Ambiente voller Impulse, Witz und Tiefgang.

Mädelsabend

Das Thema, zu dem sie mich eingeladen hat, war Loslassen. Klar, bei mir ging es darum, Dinge loszulassen. Loslassen finde ich übrigens ein sehr schönes Wort. Bisher habe ich selbst immer von Aussortieren gesprochen. Wobei ich loslassen noch etwas bedeutungsvoller finde. Denn viele Gegenstände, die wir aussortieren, sind ja im Grunde noch gut. Nur eben nicht mehr für uns. Deshalb dürfen wir das, was wir mit den Gegenständen verbinden, loslassen. Beispielsweise ein Buch, welches wir nicht gelesen haben, ein Geschenk, welches uns nicht gefällt oder einen Stoff, aus dem wir am Ende doch nichts genäht haben.

Als weitere Talkgäste waren Sabrina und Michaela eingeladen. Sabrina ist Bestatterin und legt Wert darauf, dass bei einer Trauerfeier nicht nur der Abschied, sondern auch das Leben des Verstorbenen gefeiert wird. Michaela ist Yogalehrerin und unterrichtet und praktiziert Yin-Yoga. Das ist eine spezielle Form des Yogas, bei der es um sanfte Übungen geht, um Körper und Gedanken loszulassen.

Die Veranstaltung wird abgerundet von Christina, die zu Beginn, zwischen den Interviews und am Ende jeweils zum Thema passende Songs live singt.

Einladung als Talkgast

Vor Henrikes Anfrage habe ich noch nie etwas von dem Mädelsabend gehört. Ich war nur kurz auf ihrer Website und mir war sofort klar, dass ich sehr gerne als Talkgast dabei sein möchte.

Und ich wusste auch direkt, dass ich bei weiteren Mädelsabenden auf jeden Fall im Publikum dabei sein möchte. Ihr Konzept hat mich von Anfang an total überzeugt und so war die Vorfreude größer als die Aufregung.

Immer, wenn ich kurz dachte, ich „müsste“ jetzt aufgeregt sein, habe ich mir bewusst gemacht, dass es dafür keinen Grund gibt.

Das lag auch daran, dass wir uns nicht kannten, was in dem Fall richtig gut war. Denn es ist viel einfacher und authentischer, jemand Fremden die Fragen zu beantworten, als wenn ich weiß, dass die Antworten doch eigentlich schon bekannt sind.

Ich konnte mir auf der Website schon einen ersten Eindruck von ihrem Atelier machen und habe mich gefreut, die liebevoll eingerichteten und vorbereiteten Räumlichkeiten dann auch in echt zu sehen.

Mädelsabend

Bekannte Gesichter im Publikum

Weil ich mich so auf den Abend gefreut habe, habe ich natürlich auch Werbung dafür gemacht. Für mich war es völlig in Ordnung, dass Freundinnen von mir dabei sein dürfen. Das war nicht immer so. Bei meinem ersten Vortrag, war das nämlich nicht erlaubt ;- ) . Das wäre mir damals viel zu peinlich gewesen.

Jetzt wußte ich, dass zwei Freundinnen von mir ebenfalls hingehen wollten. Das schöne war, dass ich sogar mit dem Auto abgeholt wurde. Ich musste mich also um gar nichts kümmern, was auch eine interessante Erfahrung war. Wenn ich einen Vortrag halte, muss ich mich ja sonst vorbereiten, meine ganzen Materialien zusammenpacken und schauen, wie ich zum Veranstaltungsort komme und wo ich parke.

Offiziell beginnt der Mädelsabend um 19 Uhr. Einlass ist bereits um 18:30 Uhr, damit die Gäste erst einmal in Ruhe ankommen können, etwas trinken können und sich schon einmal auf den Abend einstimmen können.

Ich habe nicht schlecht gestaunt und mich riesig gefreut, als eine Kundin von mir zur Tür reingekommen ist. Das war eine komplett neue Situation für mich, da meinen Kunden ihre Unordnung häufig unangenehm ist und das Thema eher schambehaftet ist. Ich wusste erst gar nicht, wie ich damit umgehen sollte, weil ich noch nie mit Freundinnen und Kundinnen an einem Tisch stand.

Eine weitere lustige Situation gab es auch noch. Kurz bevor es losging und ich schon auf meinem Platz saß, kam eine mir fremde Person dazu, die mich aber so angelacht hat, dass ich davon ausgehen musste, dass sie mich kennt.

Ich habe sie nicht erkannt und sie kam mir auch nicht bekannt vor. Normalerweise kann ich mich sehr gut an Personen erinnern, wenn ich einmal mit ihnen gesprochen habe.

Als Henrike mir soweit alle Fragen gestellt hatte, hat sie das Publikum gefragt, ob noch jemand eine Frage hat oder etwas erzählen möchte. Da hat sich die mir unbekannte Person gemeldet und gesagt, dass sie fast täglich an mich denkt, seit wir ihre Papierunterlagen geordnet haben. Oh je! Habe ich tatsächlich einen Tag mit jemand aufgeräumt und kann mich nicht daran erinnern? Ich bin wieder alle meine Kundinnen durchgegangen, konnte mich aber einfach nicht erinnern.

In der Pause hat sie mich gefragt, ob ich weiß, wer sie ist. Ich habe ehrlich geantwortet, dass ich es nicht weiß. Erst als sie mir ihren Vornamen gesagt hat, wusste ich natürlich genau wer sie ist. Klar kannte ich sie! Ich hatte direkt ihre E-Mails in Gedanken vor meinen Augen.

Sie war eine Online-Kundin, die vor etwa drei Jahren einen Kurs von mir gekauft hat. In dem Zusammenhang hatten wir auch einen Online-Termin und miteinander Ordnung geschaffen. Wir haben uns also tatsächlich schon mal "gesehen", wenn auch nur in einem Zoom-Call. Spannend, dass es für mich wohl einen Unterschied macht, dass ich jemand, den ich nur über den Bildschirm kenne und überraschend sehe, in echt nicht erkenne.

Sie ist davon ausgegangen, dass ich weiß, dass sie kommt. Da ich die Einladung aber nur über meinen Newsletter verteilt habe, die Anmeldungen aber natürlich nicht über mich, sondern über Henrike gingen, war es auch für mich überraschend, wer tatsächlich im Publikum sitzt.

Mädelsabend

Loslassen von Erinnerungsstücken

Wie schon gesagt, musste ich mich für den Abend nicht vorbereiten. Dennoch habe ich mir natürlich überlegt, was ich erzählen kann. Und da ist mir ein besonderes Erlebnis von mir eingefallen. Ich hatte Henrike im Vorfeld schon gefragt, ob ich eher von meiner Arbeit als Ordnungscoach erzählen soll und somit davon, wie meine Kunden Loslassen, oder ob ich auch meine eigenen Erfahrungen mit einbringen kann.

Da beides passt, habe ich von dem Moment erzählt, an dem ich für mich erkannt habe, dass ich auch Erinnerungsstücke loslassen darf. Auch wenn ich andere Dinge damals schon gut aussortieren konnte, ist mir das bei Erinnerungen nicht gelungen. Vielmehr habe ich das gar nicht hinterfragt, sondern alles perfekt ordentlich archiviert und aufbewahrt.

Vielleicht noch kurz, was der Unterschied zwischen "normalen" Gegenständen und Erinnerungsdingen ist. Normale Gegenstände kann ich bei Bedarf nachkaufen - Erinnerungen nicht. Beispielsweise kann ich keinen abgelaufenen Personalausweis kaufen. Und ich kann zwar Babyschuhe und einen Babystrampler kaufen, aber nicht DIE ersten Babyschuhe und DEN ersten Babystrampler.

Das sind jetzt drei Beispiele, die ich natürlich auch bis heute nicht aussortiert habe und auch nicht werde. Aber ich hebe nicht jedes besondere Kinderkleidungsstück auf, auch wenn es noch so schön ist.

Neue Sicht auf Erinnerungsstücke dank einem Buch

Nun aber zu dem Moment, der meine Sicht auf Erinnerungen komplett verändert hat.

Ich habe mir das Buch „Ich bin dann mal weg“ aus der Bücherei ausgeliehen. H.P. Kerkeling beschreibt darin, wie er den Jakobsweg gegangen ist.

Ich habe das Buch ausgewählt, weil ich am liebsten wahre Geschichten, Erfahrungen und Biographien lese.

H.P. Kerkeling hat in dem Buch immer wieder seine Wanderschuhe erwähnt. Wie unglaublich zufrieden er mit ihnen ist, weil er keine Blasen an den Füßen bekommen hat, was im Vergleich zu den anderen Wanderern wohl sehr außergewöhnlich war.

Die Stelle, als er am Ziel in Santiago de Compostella angekommen ist, habe ich abends gelesen, als ich in meinem Bett lag. Ich habe mir nichts schlimmes dabei gedacht und ganz entspannt gelesen.

Plötzlich schreibt er, dass er am Ziel angekommen, mit als erstes seine Wanderschuhe ausgezogen, ein Foto davon gemacht und sie dann einfach in den nächsten Mülleimer geworfen hat.

Ich war wirklich geschockt! Für einen Moment hat mein Herz aufgehört zu schlagen. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ungläubig ich in das Buch geschaut habe und nicht verstehen konnte, was ich da gelesen habe. Ich musste die Stelle gleich nochmal lesen.

Wie kann er so ein wichtiges Erinnerungsstück einfach in den Mülleimer werfen? Für mich war absolut klar, dass man diese Schuhe hätte unbedingt Zuhause aufbewahren müssen. Davon war ich absolut überzeugt.

Das ist das, was ich vorhin geschrieben hatte. Klar kann man sich neue Wanderschuhe kaufen, aber eben nicht DIE Wanderschuhe, mit denen man diesen Weg gegangen ist und die scheinbar einen hohen Wert hatten, weil sie keine Blasen verursacht haben.

Ich habe noch Tage später darüber nachgedacht. Immer wieder kam mir der Moment in den Sinn. Bis ich irgendwann verstanden habe, dass die Erinnerung an diese Wanderung nicht von diesen Schuhen abhängt.

Das wichtigste ist die Erfahrung, die er selbst gemacht hat. Die Fotos, die er davon aus – übrigens ja auch von den Schuhen. Einige andere Gegenstände, von denen er geschrieben hat und am Ende natürlich das Buch, in dem er die gesamte Geschichte aufgeschrieben hat.

Alles ist sehr viel wertvoller als ein paar stinkende und ausgelatschte Schuhe, die möglicherweise in einer staubigen Kiste auf dem Dachboden liegen.

Bis zu diesem Abend habe ich mir gar keine Gedanken gemacht, ob ich eine Erinnerung aufhebe oder nicht. Ich hätte das nie in Frage gestellt und die Schuhe in jedem Fall aufbewahrt.

Auch Erinnerungsstücke dürfen losgelassen werden

Nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte und mir bewusst wurde, dass nicht jede Erinnerung von einem Gegenstand abhängig ist, habe ich angefangen, auch die Dinge, die ich als Erinnerung aufgehoben habe, nach und nach loszulassen.

Ich habe zuerst damit angefangen, den ein oder anderen Gegenstand nicht mehr zu archivieren, sondern direkt auszusortieren. Erst nach und nach konnte ich auch ältere Erinnerungsstücke aussortieren.

Keine Sorge, ich habe nicht radikal alles aussortiert. Dafür sind mir Erinnerungen immer noch zu wichtig. Für mich fühlt es sich im Moment gut an und ich hab kein Bedarf, weiteres aussortieren. Ich weiß aber auch, dass ich es bei Bedarf könnte. Auch wenn ich es in dem Moment des Loslassen immer noch Schade finde. Das ist ganz normal. Entscheidend ist das gute Gefühl danach, wenn man die Entscheidung getroffen und umgesetzt hat. Wenn man bewusst etwas losgelassen hat, was einen belastet hat.

Loslassen statt Festhalten

Über zwei Stunden hat Henrike ganz wunderbar durch den Abend geführt. Sie hat ihren Talkgästen und dem Publikum interessante und tief gehende Fragen gestellt und die Antworten am Ende toll zusammengefasst.

Es gab drei Begriffe, die im Zusammenhang mit Loslassen stehen: Festhalten, Prozess, Individualität

Das Gegenteil von Loslassen ist Festhalten. Wer (noch) nicht loslassen kann oder möchte, hält - bewusst oder unbewusst - an etwas fest. Beides ist in Ordnung und kann eine bestimmte Zeit dauern.

Denn Loslassen ist in jedem Fall ein Prozess. Wenn wir nochmal bei den Gegenständen bleiben: Diese sind nicht von heute auf morgen in dein Zuhause gekommen, deshalb müssen sie auch nicht von heute auf morgen gehen.

Und weil ein Prozess immer individuell ist, gibt es hier auch keinen klaren Plan, wer wann wieviel loslassen möchte. Jeder darf seinen eigenen Weg gehen und herausfinden was ihm wichtig ist. Entscheidend ist der erste bewusste Schritt.

Auch wenn ich mich nicht direkt auf den Mädelsabend vorbereiten musste, hat mich der Begriff Loslassen doch ein paar Wochen begleitet. Und ich konnte in der Zeit nochmal ganz bewusst etwas loslassen. In meinem Fall war es das Wort "man muss". Ich durfte und darf mir öfter bewusst machen, dass ich besser etwas so mache, wie ich es für richtig halte, unabhängig davon, was "man muss".

Herzensempfehlung für den Mädelsabend

Als Talkgast war es für mich eine neue und besondere Erfahrung. Ich habe mich von Anfang an auf diesen Abend gefreut und habe eine schöne Erinnerung daran - ganz ohne Gegenstände - einfach in meinem Herzen und auf Fotos.

Meine Freundinnen waren auch begeistert. Noch im Auto hat eine Freundin gesagt, dass sie den Abend als sehr professionelle Veranstaltung wahrgenommen hat. Sie hat es mit einer richtig guten Talkrunde aus dem Fernsehen verglichen.

Eine andere Freundin habe ich wenige Wochen nach dem Mädelsabend wieder getroffen und sie hat mir gesagt, dass sie noch Tage danach an den Abend gedacht hat.

Und ich freue mich auf die nächsten Mädelsabende, bei denen ich sehr gerne im Publikum sitze.

Sehen wir uns dort?

Mehr über Henrike Krauß und ihren Mädelsabend findest du auf folgenden Seiten:

www.henrikekrauss.de

www.julablum.de

Mädelsabend