Vortrag

Sag niemals nie: Mein erster Vortrag

Ich habe noch nie so viel Mut gebraucht, wie für den Moment, als ich meinen ersten Vortrag gehalten habe. Und würden mich die Themen Ordnung und Organisation nicht so begeistern, hätte ich den Vortrag NIEMALS gehalten. Aber: Sag niemals nie.

Weil es für das Ordnung schaffen auch Mut braucht, möchte ich dir hier meine Geschichte erzählen.

Referate in der Schule zu halten war für mich so unglaublich schrecklich. Nie im Leben würde ich so etwas freiwillig tun. Unter keinen Umständen! Niemals!

Von einigen meiner Kollegen hatte ich mitbekommen, dass sie regelmäßig Vorträge oder Workshops bei deren Volkshochschulen anbieten. Die Idee fand ich gut, für mich war es aber kein Thema. Unvorstellbar, dass ich jemals vor mehreren Leuten sprechen würde.

Als ich Anfang 2017 bei einem jährlichen Netzwerktreffen mit anderen Ordnungskolleginnen war, haben zwei Kolleginnen von ihren Erfahrungen mit Vorträgen erzählt.
Interessant war das, aber natürlich absolut nichts für mich.

Wieder Zuhause habe ich nur wenige Tage später durch unser kostenloses Wochenblatt geblättert und dort (zum ersten Mal) eine große Anzeige gesehen, in der die VHS nach Dozenten sucht.

Weil mich nur wenige Stunden später zufällig die Kollegin, die bei dem Treffen ihre Erfahrungen mit uns geteilt hat, angerufen hat musste ich ihr natürlich davon erzählen. Dabei hatte ich schon das komische Gefühl, dass es eigentlich der Wink mit dem Zaunpfahl ist.

Und dann dachte ich mir, ich kann ja mal hinschreiben. Vielleicht ergibt sich ja etwas in drei Jahren (das habe ich wirklich gedacht!) und bis dahin könnte ich meine Meinung ja ändern.
Jedenfalls habe ich dann eben doch, und ganz ohne Erwartung, eine E-Mail an die VHS gesendet und darin von meiner Leidenschaft (heute sage ich lieber Begeisterung), dem Thema Ordnung, erzählt.

Die Zusage kam schneller als ich schauen konnte

Nur einen Tag später hat mich jemand ein Mitarbeiter von der VHS angerufen und meinte, ich solle noch heute vorbei kommen und den Vertrag unterschreiben. Das Programmheft wird schon in wenigen Tagen gedruckt.

Hä?!?!? Ich weiß doch noch gar nicht, ob ich das überhaupt will - geschweige denn kann. Außerdem habe ich ja noch nicht einmal ein Konzept und überhaupt keine Erfahrung.

Ich bin aber trotzdem hingefahren. Einfach um nochmal zu sagen, dass ich so etwas noch nie gemacht habe. Und dass ich auch noch gar nicht genau weiß, über war ich im Detail sprechen würde. Irgendwie war das aber ganz egal. Sie finden es gut, wenn neue Themen angeboten werden können.
Also habe ich mir einen Tag im November ausgesucht und hatte dann ja, statt der geplanten drei Jahre, immerhin noch über ein halbes Jahr Zeit, mich mit der Situation anzufreunden.

Ja, ich habe es wirklich gewagt. Warum? Ganz einfach: Damit der Vortrag stattfinden kann, müssen sich mindestens 8 Personen anmelden. Und das war ja sowieso sehr unrealistisch. Bitte wer interessiert sich in unserem kleinen Ort für einen Vortrag über Ordnung?

Also war ich ganz entspannt und habe langsam mit den Vorbereitungen begonnen. Denn das war klar, dass ich auf jeden Fall einen Vortrag erarbeiten muss. Mir wurde nämlich gesagt, dass die meisten Anmeldungen erst in der Woche vor dem Termin kommen. Nur für den Fall, dass sich doch erst ganz am Schluss acht Personen dafür interessieren, hätte ich also irgendetwas haben müssen.

Meinen Freundinnen hatte ich übrigens "verboten", dass sie sich zu dem Vortrag anmelden. Deshalb mussten sich schon acht fremde Personen finden.

Anfangs fand ich die Vorbereitung ganz spannend. Denn schon lange wollte ich mein Wissen irgendwie raus aus meinem Kopf bringen. Und das war ja überhaupt der allereinzige Grund, warum ich die Möglichkeit mit dem Vortrag überhaupt in Erwägung gezogen habe. Weil ich unbedingt über Ordnung sprechen wollte. Ein klitzekleines bisschen wollte ich das mehr wie ich Angst vor dem Sprechen vor einer Gruppe hatte. Es gäbe definitiv kein anderes Thema, für das ich mich sonst freiwillig melden würde.

Im Sommer habe ich langsam (eis)kalte Füße bekommen und mich ernsthaft gefragt, warum ich das eigentlich angefangen habe. Wie konnte ich das nur machen? Absagen war aber auch keine Option. Es blieb nur: Augen zu und durch!
Die Inhalte waren soweit fertig und nun musste ich meiner größten Herausforderung stellen.

Üben, üben, üben ...

Phasenweise hatte ich echt das Gefühl, ich würde diesen Tag nicht überleben. Wenn ich mir nur schon vorgestellt habe, wie ich in diesem Raum stehe und mehrere fremde Personen auf mich schauen würden, wurde mir ganz schlecht. Am schlimmsten habe ich mir den Start vorgestellt. Diese paar Sekunden, in der alle Augen auf mich gerichtet sind und ich einen schlauen Satz zur Begrüßung sprechen muss. Etwas, was noch gar nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun hatte. Sorge, dass ich inhaltlich nicht weiß, was ich sagen sollte hatte ich eher keine. Aber auch hier war mir klar, dass ich alles ablesen würde. An freies Sprechen war gar nicht zu denken.

Meine Freundin, die mich bei der Vorbereitung sehr unterstützt hat, hatte es nicht leicht. Es war ein Wechselbad der Gefühle. Auf der einen Seite wollte ich das unbedingt. Meine Inhalte fand ich super und mit jedem Übungsdurchgang - vor laufender Kamera - sind mir wieder Dinge eingefallen, die ich noch verbessern konnte.
Aber dieser eine schreckliche Moment, an dem ich vor der Gruppe stehe und sagen muss, dass es jetzt losgeht. Dieser Moment hat mich sehr viele Nerven und schlaflose Nächte gekostet.

Eine kleine Hoffnung hatte ich ja noch, nämlich dass der Vortrag einfach ausfällt.
Anfang November, etwa 14 Tage vor dem Termin wollte ich dann endlich wissen, ob sich überhaupt schon jemand angemeldet hat.

Also habe ich bei der VHS angerufen und einfach mal nachgefragt, ob der Kurs stattfinden wird.
Die Stimme am Telefon: "Gerne, ich schaue mal nach. Ein Moment bitte. Wir haben 15 Anmeldungen. Ja, der Kurs findet statt."
Ich dachte mir nur, dass das jetzt nicht wahr sein kann. Wie kann es sein, dass es schon so viele Anmeldungen gibt?

So viele Anmeldungen - gut oder schlecht?

Bevor ich aufgelegt habe, habe ich noch kurz nachgefragt, was wir damals als maximale Teilnehmeranzahl angegeben haben. Das war eine Zahl, über die ich mir keine Gedanken gemacht habe. Denn ich war ja sicher, dass sich nicht einmal acht interessierte Personen anmelden werden.

Tatsächlich haben wir die Zahl auf unglaubliche 25 Teilnehmer:innen festgelegt.

Ich wusste noch, dass die meisten Anmeldungen erst in den letzten ein bis zwei Wochen kommen. Also musste ich mich so langsam damit anfreunden, dass ich meinen ersten Vortrag also vor sehr vielen Menschen halten muss.

Nach dem Telefonat: Einmal tief durchatmen und dann Augen zu und durch. Jetzt gab es kein Weg mehr zurück. Auch wenn ich natürlich nach wie vor genauso viel Respekt hatte, war ich doch froh, dass jetzt klar war, dass ich das jetzt durchziehen werde.
Ein Vorteil war, dass bei vielen Teilnehmern eine Vorstellungsrunde entfällt. Bei nur wenigen Teilnehmern hatte ich überlegt, eine Vorstellungsrunde zu machen und fand dies eine zusätzliche Herausforderung.

Der Vortrag sollte in einer Grundschule stattfinden. Wenige Tage vor dem Termin habe ich mir die Räumlichkeiten angeschaut. Wie erwartet waren es mittlerweile tatsächlich 25 Anmeldungen - und es gab sogar eine Warteliste. Die VHS hat vorgeschlagen, dass bei der Teilnehmerzahl besser die Mensa genutzt wird.
Für mich war aber klar, dass es beim Klassenzimmer bleibt. Hier habe ich nicht an die Teilnehmer gedacht, sondern einfach nur, wie es für mich am besten wäre.

Mir hat die Vorstellung besser gefallen, wenn alle auf kleinen Stühlen sitzen. Im Nachhinein gesehen, vielleicht etwas gemein, aber sonst wäre meine Aufregung noch größer gewesen.

lmmer noch üben, üben, üben ...

Ich habe meinen Vortrag immer wieder geübt und mich dabei gefilmt. Wenn ich ausblenden konnte, dass ich bald in einem Raum stehe und vor fremden Menschen spreche, hat mir das sogar richtig viel Spaß gemacht.
Das waren damals meine aller ersten Erfahrungen vor der Kamera.

Ich habe die Videos wenigen Testpersonen zur Verfügung gestellt. Meine Freundin hat es an ihre Freundin - dich ich damals noch nicht kannte - weitergeleitet. Und weil sie so begeistert war, hat mich das etwas beruhigt.
Meine Freundin hat uns beide später sogar zum Essen eingeladen und ich habe als Dankeschön ein Gutschein geschenkt bekommen. Noch mehr habe ich mich aber über ihre Aussage gefreut "Ich hätte ihr Leben verändert". Wow, war das großartig! Und als sie während dem Treffen ständig die Inhalte aus meinen Videos nachgesprochen hat, war das echt etwas Besonderes.

Aber noch hatte ich den "großen Tag" ja noch vor mir: Ich war immer noch täglich am Üben und habe selbst gemerkt, dass es mit jedem Mal besser wurde. Die Vorstellung, so viele Menschen zu begrüßen und mich vorzustellen, war nach wie vor schlimm.

Am Ende habe ich es einfach durchgezogen. Etwas Sicherheit hatte ich dadurch, dass ich viel Material dabeihatte. Dass ich nicht nur erzählen musste, sondern auch viel zeigen konnte.

Letztendlich war ich froh, dass es dann soweit war. Am Ende hat auch alles so geklappt, wie ich es mir vorgestellt habe. Perfekt war es bei weitem nicht, für das erste Mal konnte ich aber sehr zufrieden sein.
Am Ende hat sich eine Teilnehmerin kurzfristig krankgemeldet und zwei Teilnehmerinnen kamen ohne Anmeldung. So waren es tatsächlich 26 Personen, die sich für das Thema Ordnung interessiert haben - und unwissend ein Teil von meinem allerersten Vortrag waren.

Endlich geschafft!

Als ich nach Hause gefahren bin, war ich einfach nur unendlich erleichtert, dass ich es hinter mir habe. Ich habe meinem Mann noch kurz davon erzählt und bin dann ins Bett.

Das ganze Material hatte ich einfach nur im Eingangsbereich abgestellt. Ich wollte am nächsten Tag eigentlich nochmal ein Video aufnehmen. Nicht mehr zum Üben, sondern wirklich den "perfekten" Vortrag. Jetzt ohne Druck und ganz entspannt.

Am nächsten Tag habe ich entschieden, dass ich das nicht mehr mache. Ich wollte die ganzen Dinge nicht mehr sehen und habe noch vor dem Frühstück alles KOMPLETT weggeräumt.

Tatsächlich konnte ich eine Woche gar nicht mehr darüber sprechen. Erst da habe ich gemerkt, wie anstrengend es wirklich war, dass ich mich für diesen Vortrag entschieden habe.

Gab es eine Wiederholung?

Ja, tatsächlich habe ich mich schon nach ein paar Wochen für einen weiteren Vortrag im nächsten Jahr angemeldet.
Habe wieder all meinen Mut zusammengenommen und nochmal über das Thema Ordnung gesprochen. Dieses Mal habe ich darauf geachtet, dass es nicht ganz so viele Teilnehmer waren.

Dann habe ich ein Jahr Pause gemacht und mich auf meine Online-Angebote konzentriert. Auch hier bin ich das ein oder andere Mal über meine Grenzen hinaus gegangen.

Mittlerweile habe ich schon mehrere Vorträge gehalten und bin nur noch normal aufgeregt. Ich kann es jetzt tatsächlich genießen. Wenn ich für einen Moment wieder Nervös werde, kann ich mich leicht selbst beruhigen. Denn es gibt nichts schöneres, wenn ich meine Begeisterung für Ordnung und Organisation mit anderen teilen darf.

Und ich bin so froh, dass ich damals den Mut hatte, mich auf diese Erfahrung einzulassen. Das ich die verrückte Entscheidung getroffen habe und so meine Angst hinter mir lassen konnte.

Ich will jetzt nicht behaupten, dass ich die geborene Rednerin bin oder dass das meine neue Leidenschaft ist. Aber darum geht es ja auch nicht. Entscheidend für mich ist, dass ich keine Angst mehr davor habe und das ich meine Teilnehmer:innen inspirieren kann.

Am Ende ging es einfach ums TUN. Auch wenn es fast unmöglich scheint, einfach machen - Schritt für Schritt.